PM:Netzsperren

Aus CCC Bremen
Version vom 17. Juni 2009, 09:10 Uhr von Sebastian Raible (Diskussion | Beiträge) (initial)
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 Liebe Marieluise,
 
 
 ich bin Sebastian Raible, studiere im siebten Semester Informatik an der
 Uni Bremen und bin seit 2003 Grünen-Mitglied.
 
 Heute schreibe ich dir aber in meiner Funktion als Mitglied im Chaos
 Computer Club e.V. und Vorstandsmitglied im Chaos Computer Club Bremen
 e.V. sowie als Aktiver beim Arbeitskreis gegen Internetsperren und
 Zensur und beim Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.
 
 In den vergangenen vier Wochen haben wir in Bremen massiv angefangen,
 uns mit dem Thema Internetsperren zu beschäftigen. Denn unserer Meinung
 nach sind die Sperren nicht nur das falsche Mittel für den Zweck, der zu
 ihrer Legitimation angeführt wird. Sie sind schon jetzt auch dafür
 vorgesehen, sie auf andere Bereiche auszudehnen.
 
 Lass mich nur noch ganz kurz und oberflächlich auf die technische Seite
 eingehen:
 
 Wir müssen feststellen, dass - und so ist das auch im Gesetzentwurf zu
 lesen - die jetzt geplanten Sperren lediglich zu einer "Erschwerung des
 Abrufs" im Stande sind.
 
 Will man Inhalte effektiv filtern, muss man in nächster Instanz tiefer
 in die Netzwerk-Struktur eingreifen und die Vermittlung von Paketen an
 bestimmte Zielrechner verhindern.
 
 Da sich auch diese Sperre durch das Wechseln der IP-Adresse umgehen
 ließe, müsste man dann anfangen, alle Inhalte, die über das Internet
 übermittelt werden, einzeln auf Strafbares zu prüfen. Dazu müsste man
 Verschlüsselung verbieten.
 
 
 Die Zulassung der jetzt geplanten Sperren bedeutet unweigerlich den
 Einstieg in eine Zensur-Spirale, an deren Ende ein Filtersystem stünde,
 das wirksamer wäre als das in China.
 
 
 Ich möchte damit nicht polemisch klingen, für mich und die
 Unterstützerinnen und Unterstützer der Petition gegen die "Indizierung
 und Sperrung von Internetseiten" ist dies aber die ganz klare
 Konsequenz, wenn man ein funktionierendes Filtersystem für das Internet
 umsetzen möchte, da andere Herangehensweisen unwirksam wären.
 
 Was die Darstellung von tatsächlichem oder fiktivem Kindesmissbrauch und
 - -misshandlung angeht, gibt es in Deutschland, in der EU, den USA, Kanada
 und Australien eine Gesetzgebung mit schweren Straftaten für die
 Verbreitung und Herstellung dieser Materialien.
 
 Ich zähle diese Länder auf, weil sich nachgewiesen die Mehrzahl der in
 Skandinavien blockierten Inhalte auf Servern in diesen Ländern befinden.
 
 Es muss also auf Grundlage der bestehenden Gesetze und internationalen
 Rechtshilfeabkommen gegen die Verbreitung und vor allem die Herstellung
 der Darstellungen vorgegangen werden.
 
 So würde effektiv erreicht, was die Sperren nicht leisten können.
 
 Indem gegen die Urheber und Verbreiter vorgegangen wird, werden
 gleichzeitig alle Kommunikationskanäle ausgetrocknet. Egal, ob sie
 kontrolliert und gefiltert werden oder nicht.
 
 Ich möchte dich deswegen, im Namen des Chaos Computer Club Bremen und
 seiner Mitglieder, darum bitten, gegen die Sperrung von Internetseiten
 zu stimmen und dich stattdessen für
 
 a) die Stärkung von Präventionsangeboten für Pädophile, die keine
 Straftäter geworden sind,
 b) die Förderung der Ursachen- und Wirkungsforschung,
 c) die Verbesserung der personellen und finanziellen Ausstattung von
 Strafverfolgungsbehörden im Bereich von Sexualstraftaten und
 d) die Reform der Strukturen in den Strafverfolgungsbehörden, damit
 sexualisierte Gewalt gezielter verfolgt werden kann
 
 stark zu machen und gegen die Sperrung von Internetseiten zu stimmen.
 
 
 Zu diesem Thema würde ich mich freuen, auch mit dir persönlich in
 Kontakt zu treten.
 
 
 Mit freundlichen Grüßen
 Sebastian
 
 
 Über den Chaos Computer Club Bremen e.V.:
 Der CCC Bremen ist ein als gemeinnützig anerkannter Verein und sozusagen
 der Bremer "Ableger" des CCC e.V. in Berlin.
 
 Seit Ende 2005 treffen sich bei uns Menschen unterschiedlichen Alters
 und unterschiedlicher Berufsgruppen aus Interesse an Technologie und
 ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft.
 
 Im Moment veranstaltet der CCC Bremen eine Reihe von Vorträgen und
 Workshops, die nächsten Termine sind:
 
 23.06.2009: Technologie, Überwachung und Privatheit im historischen
 Wandel (Ralf Bendrath, TU Delft)
 
 30.06.2009: Internetzensur (Florian Walther, AK Zensur)
 
 14.07.2009: Neusprech im Überwachungsstaat (Martin Haase, Uni Bamberg)
 
 Mehr Informationen auf http://ccchb.de/